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Verwaltungsgericht Düsseldorf: Corona-Hilfe-Antrag muss neu entschieden werden

Verwaltungsgericht Düsseldorf: Corona-Hilfe-Antrag muss neu entschieden werden

Verwaltungsgericht Düsseldorf: Corona-Hilfe-Antrag muss neu entschieden werden
Rechtsanwalt
Julian Tietze
Rechtsanwalt

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat in einem Urteil vom 4. April 2025 (Az.: 9 K 6289/23) die Bezirksregierung verpflichtet, einen abgelehnten Antrag auf Corona-Überbrückungshilfe IV neu zu bescheiden. Die Richter hoben den Rückforderungsbescheid über bereits ausgezahlte 31.846,24 Euro auf und betonten die Signalwirkung des Falls: Bewilligungsstellen müssen eingereichte Unterlagen sorgfältig und fair bewerten und dürfen alternative Nachweise für Umsatzrückgänge nicht ohne sachlichen Grund zurückweisen

Hintergrund: Abgelehnter Corona-Hilfe-Antrag und Rückforderung

Die Klägerin – ein Kulturförder-Unternehmen – hatte im Mai 2022 Überbrückungshilfe IV (eine Corona-Wirtschaftshilfe des Bundes für Januar bis Juni 2022) beantragt. Die zuständige Bezirksregierung forderte mehrfach Nachweise für den geltend gemachten Umsatzeinbruch an und nannte dabei beispielsweise eine BWA (betriebswirtschaftliche Auswertung, ein betrieblicher Finanzbericht) oder Umsatzsteuervoranmeldungen als mögliche Belege. Die Antragstellerin reichte zunächst eine BWA für 2019 sowie Schätzungen der Umsätze für das erste Quartal 2022 ein. Auf wiederholte Nachforderung übermittelte der eingeschaltete Steuerberater bzw. prüfende Dritte schließlich eine Bestätigung eines Rechtsanwalts vom 26. Juli 2023. In diesem Schreiben bestätigte der Anwalt – nach Einsicht in Kassenberichte und Bankauszüge – die Netto-Umsätze des ersten Halbjahres 2022.

Die Bezirksregierung akzeptierte diesen anwaltlichen Nachweis jedoch nicht. Sie lehnte die Bestätigung als unzureichend ab mit der Begründung, der Rechtsanwalt betreue das Unternehmen nicht offiziell im Corona-Hilfe-Programm und die vorgelegte Unterlage ermögliche keine ausreichende Plausibilisierung des Umsatzeinbruchs. In der Folge wurde der Antrag abgelehnt und die bereits ausgezahlte Summe von 31.846,24 Euro per Bescheid zurückgefordert. Die Unternehmen sollten den Betrag binnen Wochenfrist erstatten.

Urteil: Neubescheidung und Aufhebung der Rückforderung

Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin Klage – mit Erfolg. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf gab der Klage statt und verpflichtete das Land (vertreten durch die Bezirksregierung) dazu, den Überbrückungshilfe-Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Richter erklärten den Bescheid der Bezirksregierung vom 2. August 2023 – einschließlich der darin geforderten Rückzahlung von 31.846,24 Euro – für rechtswidrig. Die Klägerin habe einen Anspruch darauf, dass ihr Antrag nun nochmals sachgerecht geprüft und entschieden wird, womit auch die Grundlage für die Rückforderung entfalle.

Bemerkenswert ist dabei ein prozessuales Detail: Obwohl der anwaltlich formulierte Klageantrag formal nur auf Aufhebung des Ablehnungs- und Rückforderungsbescheids gerichtet war, legte das Gericht ihn als Verpflichtungsklage auf Neubescheidung aus. Mit anderen Worten – entscheidend sei das tatsächliche Rechtsschutzziel des Klägers, nicht die gewählte Überschrift des Antrags. Die Klägerin wollte inhaltlich die Hilfszahlung erhalten, daher wurde die Klage im Lichte dieses Ziels ausgelegt, ungeachtet ihrer formalen Bezeichnung.

Gerichtliche Klarstellungen: Nachweispflicht und Behördenpraxis

In der Urteilsbegründung liefert das Verwaltungsgericht Düsseldorf mehrere grundsätzliche Aussagen zur Bewertung von Nachweisen bei Corona-Hilfen. So stellten die Richter klar, dass sowohl die einschlägigen Förderrichtlinien als auch die Schreiben der Behörde Belege wie BWA oder Umsatzsteuervoranmeldungen nur als Beispiele nennen. Die Verwendung des Wortes „beispielsweise“ sei wörtlich zu nehmen – das heißt, es dürfen auch alternative Unterlagen zum Nachweis des Umsatzeinbruchs akzeptiert werden. Andere als die beispielhaft genannten Unterlagen darf die Bewilligungsstelle nicht ohne sachlichen Grund ablehnen, so das Gericht. Damit widersprach das Urteil der bislang vielfach üblichen Praxis einiger Bewilligungsstellen, sich ein umfassendes freies Ermessen bei der Beurteilung von Nachweisen anzumaßen. Das Gericht betonte ausdrücklich, dass die Behörde in ihrer Einschätzung, ob ein eingereichtes Dokument die Antragsberechtigung plausibilisiert, nicht völlig frei ist. Sie muss sich an sachliche Kriterien und an die eigenen Vorgaben in den Richtlinien halten.

Anwaltliche Bestätigung als zulässiger Nachweis

Eine der Kernfragen betraf die Bestätigung durch einen Rechtsanwalt als Nachweis des Umsatzeinbruchs. Hier stellte das Verwaltungsgericht unmissverständlich fest, dass ein solcher Schriftsatz grundsätzlich geeignet ist, den geforderten Umsatzrückgang glaubhaft zu machen. Die von der Bezirksregierung vorgebrachten Einwände gegen die anwaltliche Bestätigung wiesen die Richter zurück. Insbesondere sei es irrelevant, dass der Rechtsanwalt nicht als „prüfender Dritter“ für das Corona-Hilfsprogramm registriert war, da auch eine BWA nicht von einem speziell bevollmächtigten Dritten erstellt werden müsse. Entscheidend ist der Inhalt der Unterlage, nicht wer sie einreicht.

Zudem hob das Gericht hervor, dass die Aussagekraft einer solchen anwaltlichen Bestätigung keineswegs geringer sei als die einer BWA – eher im Gegenteil. Ein Rechtsanwalt ist berufsrechtlich zur Sachlichkeit verpflichtet und darf keine unwahren Angaben machen (§ 43a Abs. 3 Bundesrechtsanwaltsordnung). Diese beruflichen Pflichten verleihen seiner Bestätigung Gewicht und Vertrauenswürdigkeit. Gleichzeitig wurde darauf verwiesen, dass eine BWA selbst kein offiziell normiertes Dokument mit garantierter Richtigkeit ist. Es besteht weder eine gesetzliche Pflicht zur Erstellung einer BWA noch genaue Vorgaben zu deren Inhalt. Die Richter machten deutlich: Eine BWA genießt keine höhere Verlässlichkeit per se – sie ist letztlich auch nur so gut wie die Daten, auf denen sie basiert. Folglich durfte die Behörde den anwaltlichen Nachweis nicht allein aus formalen Gründen zurückweisen, ohne sich mit dessen tatsächlichem Informationsgehalt auseinanderzusetzen.

Rüffel für die Behörde: Anhörungspflicht missachtet

Neben der inhaltlichen Bewertung der Nachweise rügte das Gericht auch Verfahrensfehler der Behörde. Selbst wenn man die vorgelegte Anwalts-Bestätigung für möglicherweise unzureichend gehalten hätte, hätte die Bezirksregierung die Antragstellerin vor der Ablehnung auf diese Bedenken hinweisen müssen. Im Verwaltungsverfahren gilt der Grundsatz des rechtlichen Gehörs: Bevor eine Behörde einen Antrag ablehnt, muss sie dem Betroffenen die Chance geben, zu kritischen Punkten Stellung zu nehmen oder Unterlagen nachzureichen. Im vorliegenden Fall hatte die Bewilligungsstelle jedoch lediglich allgemein Nachweise angefordert und BWA bzw. Umsatzsteuer-Voranmeldung als Beispiele genannt, ohne konkret zu erklären, welche Zweifel an der Eignung der eingereichten Unterlagen bestandende. Die anwaltliche Bestätigung war als Nachweis nicht von vornherein völlig ungeeignet, sodass die Klägerin mit einer Ablehnung aus heiterem Himmel nicht rechnen musste. Durch das Ausbleiben eines Hinweises auf angebliche Mängel wurde der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt und der Klägerin das Recht abgeschnitten, selbst für Aufklärung zu sorgen. Dieser Verfahrensmangel trug ebenfalls zur Rechtswidrigkeit des Bescheids bei.

Signalwirkung für Corona-Hilfen: Inhalt vor Form

Das Düsseldorfer Urteil hat über den Einzelfall hinaus rechtliche Signalwirkung. Die aufgestellten Grundsätze – etwa zur Auslegung von beispielhaft genannten Nachweisen, zur Bindung der Verwaltung an ihre eigenen Richtlinien und zur Wahrung des rechtlichen Gehörs – gelten allgemein im Verwaltungsrecht und sind nicht auf Nordrhein-Westfalen beschränkt. Obwohl es sich um eine Entscheidung eines NRW-Gerichts handelt, sind die Förderrichtlinien für Corona-Hilfen in allen Bundesländern weitgehend identisch, da sie auf gemeinsamen Bundesvorgaben basieren.

Experten sehen daher bundesweite Relevanz: Das Urteil gibt wichtige Impulse für ähnliche Verfahren in ganz Deutschland Viele Unternehmen und Selbständige haben in der Schlussabrechnung der Corona-Hilfen mit strengen Formvorgaben oder Rückforderungsbescheiden zu kämpfen. Hier zeigt das Düsseldorfer Urteil, dass es sich lohnen kann, gegen Ablehnungen wegen angeblich unzureichender Nachweise vorzugehen. Wenn Behörden überzogene Anforderungen gestellt oder ihre Hinweispflichten verletzt haben, stehen die Chancen gut, eine Neubescheidung – also eine erneute, faire Prüfung des Antrags – gerichtlich durchzusetzen.

Insgesamt stärkt das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf die Rechte der Antragsteller von Corona-Hilfen. Es macht deutlich, dass formale Fehler oder unübliche Nachweiswege nicht vorschnell zur Ablehnung führen dürfen, solange das materielle Anliegen – die Unterstützung bei pandemiebedingten Einbußen – berechtigt ist. Behörden sind angehalten, bei der Bearbeitung von Corona-Hilfen den Blick aufs Wesentliche zu richten und im Zweifel den Dialog mit den Antragstellern zu suchen, statt strikte Formalitäten über das Ziel der Hilfe zu stellen. Die Aufhebung der Rückforderung und die verpflichtende Neubewertung des Antrags in diesem Fall senden ein klares Signal: Fairness und inhaltliche Prüfung müssen Vorrang vor Formalien haben.

Quellen: Verwaltungsg­ericht Düsseldorf – Urteil vom 04.04.2025 (Az. 9 K 6289/23); Bericht bei Haufe.de (01.10.2025)

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